Hier einige Auszüge :
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Es erstaunt mich in diesem Kontext ein wenig, dass Clausewitz’ Philosophie des Krieges, die ja durch Marx, Engels, später auch durch Luxemburg und Lenin rezipiert und in ihr jeweiliges Denken integriert worden ist, bei bestimmten Konfliktbeurteilungen für die Linke keine Rolle zu spielen scheint. Wie beim Nahostkonflikt. Gerade bei dem israelisch-arabischen Konflikt habe ich den Eindruck, dass unsere Konfliktbeurteilungen in einem Gut-Böse-Schema implodieren. Auch die Marxistinnen und Marxisten, auf die wir uns sonst immer noch gern beziehen, hätten dafür allenfalls ein – überhaupt nur wenig mildes – Lächeln übrig gehabt. ... Ich meine, gemessen an der marxistischen Tradition, die man sicher auch kritisch sehen muss, offenbart das Verhalten einiger Mitglieder der LINKEN zu Israel und seinen Konflikten eine theoretische Regression. |
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An die Wertegemeinschaft mit den USA glaubt keiner mehr so innig, die Europäische Integration erfolgt ohnehin nach einer Logik, die durch ein Primat nationalstaatlicher Interessenverfolgung charakterisierbar ist; aber wo es nichts zu rütteln geben soll, ist die Solidarität mit Israel. |
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Hier schon, allein bei der Frage nach dem Existenzrecht Israels, scheiden sich häufig genug die Geister. Das ist ausgesprochen merkwürdig. Immerhin ist Israel ein von vielen anderen Staaten anerkannter Staat und Mitglied der Vereinten Nationen. Unter den Staaten, die als Erste Israel anerkannten, waren die USA und die Sowjetunion. Was soll dann die Aufregung um das Existenzrecht Israels? Kein normaler Mensch diskutiert ernsthaft über das Existenzrecht der Schweiz. Das deutet darauf hin, dass es bei diesem Begriff "Existenzrecht" überhaupt nicht um im engeren Sinne völkerrechtliche Aspekte geht, sondern um wesentlich unmittelbarere politische Fragen. Schließlich sitzen die arabischen Staaten mit Israel in den Vereinten Nationen, andererseits haben die meisten arabischen Staaten mit Ausnahme Ägyptens und Jordaniens Israel nicht anerkannt und pflegen keine diplomatischen Beziehungen. ... Ich möchte mir aber einen provokanten Vergleich gestatten, der zudem auch etwas kontrafaktisch ist. Deutschland ist einer allenfalls abstrakten terroristischen Gefahr ausgesetzt, die für Schäuble, Jung und andere Sicherheitsfanatiker schon Grund genug ist, beängstigende Angriffe auf liberale Bestände unserer Verfassung zu unternehmen. Wäre bei dieser Hysterie eine rechtsstaatliche Demokratie in Deutschland überhaupt noch denkbar, wenn Deutschland sich in einer mit der israelischen Gesellschaft vergleichbaren Bedrohungslage befände? Ich habe da große Zweifel. Daher anerkenne ich die Bewahrung demokratischer Verhältnisse – einschließlich einer demokratischen Öffentlichkeit – während der vergangenen 60 Jahre seit der Gründung Israels dort als eine wirklich große Leistung, die Bewunderung und Anerkennung verdient |
Doch der "Kampf" geht weiter. Die Linke ist zum Thema Israel gespalten. Doch warum ist das so. Die LINKe, deren Wurzeln vieler Mitglieder immer noch in der SED liegen, tut sich schwer mit dem Thema Israel - wegen des staatlich verordneten Antizionismus der DDR, der zeitweise in Antisemitismus ausarten konnte. Vor allem die trotzkisten "Linksruck" und die Marxisten "Marx 21" passen die Rede von Gysi gar nicht. Ulla Jelpke, die Linke, wird da recht deutlich : "Ich halte es für legitim, gegen Zionismus zu sein." Im Jahr 2006 hatte Jelpke bei einer antiisraelischen Demo vor Hisbollah-Fahnen zu Israels Libanonkrieg gesagt: "Wer angesichts dieser Massaker und angesichts dieser sinnlosen Zerstörungswut noch einen Hauch von Verständnis für die israelische Politik aufbringt, macht sich zum Mittäter, zum Komplizen von Mord und Terror." Bei aller berechtigter Kritik an diesem Krieg, bei aller Grausamkeiten, die Israel mitzuverantworten hat. Es schwingt immer mit, dass man den Terror von Hamas und Hisbollah mit dem militärischen Vorgehen Israels gleichsetzt. Davon abgesehen, dass der Antizionismus nicht mehr zeitgemäßg ist für eine/n Linken. Ich stimme da Gysi 100% zu.
Max Steininger, einer der Bundessprecher der "Linksjugend", der ich auch mal angehörte, meinte indes auf die Rede Gysis : "Ich kann durchaus als Linker ein Antizionist sein, wie ja auch viele Juden die zionistische Logik ablehnen." Und: "Ich kann überhaupt nicht verstehen, warum Gysi die ,Linke' an die Staatsräson binden will. Staatsräson ist nur ein anderer Ausdruck für die außenpolitischen Interessen der herrschenden Klasse."
Das ganze verspricht ein heißer, diskussionsfreudiger Sommer. Bei allen Bedenken, ich freu mich drauf. Die Linke lebt.