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Sonntag, 28. September 2008

Mein Austritt aus der Partei "Die Linke"

Liebe Genossinnen und Genossen, Lieber Schorsch,


hiermit möchte ich, nach immerhin 3 Jahren Mitgliedschaft, aus der Partei „Die Linke“ austreten. Zu viele Dinge sind passiert, die ich nicht akzeptieren kann. Zu sehr habe ich mich und sich damit meine politischen Ansichten verändert, als dass ich guten Gewissens der so genannten Linken Partei in Deutschland weiterhin angehören könnte.
Egal, wo ich in diese, meine Partei, blicke: Ob zum mehr als latent antisemitischen Norman Paech, beim notorischen Lügner Oskar Lafontaine, oder zu Klaus Ernst, der Lafontaines Aussage, die an Kurt Beck gerichtet war, (Beck habe intellektuelle Defizite) noch am ehesten gerecht wird; Ganz egal, welchen Sachverhalt ich betrachte, zu oft stehe ich nicht mehr hinter dieser Scheinheiligkeit.
Ob die Tatsache, dass Pazifismus nichts anderes als eine große Feigheit ist, oder die Tatsache, dass man mit islamofaschistischen Regimes völlig unkritisch umgeht, während man die USA und Israel als Feind per se ansieht. Oder, dass man sich, wie fast alle Parteien, völlig unkritisch mit dem Islam auseinander setzt, wenn man nicht gegen ihn hetzt. Wenigstens zu letzterem hat sich „Die Linke“ nicht herabgelassen, obwohl sie sich doch sonst für keinen Populismus zu schade ist.
So komme ich zu Beginn zu Prof. Dr. Norman Paech. Ich war schon immer etwas skeptisch und habe mich auch nie als Antizionist gesehen. Um so erfreuter war ich, als ich Gysis Rede im Bundestag zum 60. Jahrestag von Israel gelesen habe. Endlich mal kein Antizionismus, der sich zu Israel nicht anders verhält, als der Antisemit zum Juden an sich. Doch Gysis Meinung wird von den wenigsten geteilt. Höchstens noch von Petra Pau oder Andre Brie. Die Mehrheit stimmt Norman Paechs Sympathiekurs zu Hamas und Hisbollah zu; zumindest indirekt, in dem man den Terror der islamischen Fundamentalisten, mit den Militärschlägen von Israel gleichsetzt. Besonders widerwärtig wird dies im Euphemismus „Freiheitskämpfer“ deutlich. Ist ein Selbstmordattentäter, der sich in einem Bus in die Luft sprengt, ein Freiheitskämpfer? Für rationale Menschen, nein, aber wenn man Vorbilder wie Che Guevara und Fidel Castro, die selbst hunderte von Menschen umbringen haben lassen, pflegt, so wird dies vielleicht verständlich. Verständlich, doch noch lange nicht richtig.
Ein Beispiel für Paechs Unzulänglichkeiten: Gruppe Anomy Hannover hatte im Sommer bei der Veranstaltung mit Norman Paech, die von der Volkshochschule Hannover in Kooperation mit dem Palästinaforum, Amnesty International und der Deutsch Israelischen Gesellschaft Hannover organisiert wurde Flugblätter verteilt und den folgenden Veranstaltungsbericht mit Bitte um Veröffentlichung verschickt. Hier einige Ausschnitte:

"Die Kassam-Raketen sollten nicht immer so emotionalisiert werden"

Während der gesamten Veranstaltung verteidigte Peach in einer beeindruckenden Doppelmoral das Judenmorden. Ihm fungiert das Völkerrecht als Mittel, mit dem er in geschichtsrevisionistischer Absicht als Deutscher über Israel richten will, indem er Israel mit dem Nationalsozialismus gleichsetzt und den israelischen Juden die Schuld am Antisemitismus gibt. "Nach Maßgabe des Völkerrechts", so Paech, "war die Schaffung Israels völkerrechtswidrig", die Existenz Israels also, sei ein Verbrechen.
Das ist für mich kein akzeptabler Standpunkt.
Doch es ging fröhlich weiter: Palästinensischen Terrorismus und Raketenbeschuss stellte Paech unter Berufung auf die UNO als "legitimes Mittel des Selbstbestimmungsrecht des palästinensischen Volkes" und als Folge israelischer Politik dar. Abschließend bezog sich Paech, mit einer widerlich-freudigen Genugtuung, auf Richard Falk, "einen Juden aus den USA", wie er betont hinzufügen musste, um einen jüdischen Kronzeugen zu zitieren, der das deutsche Bedürfnis Paechs ausspricht, dass Israel "faschistische Methoden" anwende. Israel, so Paech, sei durch seine Politik selbstverschuldeterweise nicht überlebensfähig, solange es diese nicht ändere und keinen palästinensischen Staat zulasse. Damit hatte Paech sein Todesurteil über Israel ausgesprochen, an dem die Juden wie immer selbst schuld sind. Ich hätte kotzen können.
Dies ist nur ein Beispiel, von vielen, das aber hier genügen sollte. Es zeigt, dass der herkömmliche Antisemitismus ala Horst Mahler und Hartmut Wostupatsch, der privat übrigens äußerst sympathisch ist, längst antiquiert ist. Das sind stupide Brandstifter ohne Benzin und Feuerzeug, die nur zum Erhalten ihrer Selbst und medial kaum beachtet ihren Antisemitismus predigen. Nein, der wirklich gefährliche Antisemitismus kommt von den sog. Antizionisten, die selbstverständlich „Nie wieder Auschwitz“ propagieren und auch keine Gelegenheit auslassen, um ihre Betroffenheit über die Judenvernichtung Ausdruck zu verleihen. Dieses Phänomen, dieser „Antisemitismus ohne Antisemiten“ hat Hendryk Broder schon ausreichend beleuchtet.
Nun werde ich mich, in aller Kürze Oskar Lafontaine widmen, der sich spätestens 2006 im unglaublich schlechten Interview im „Cicero“ „Sie sind ein Extremist, Herr Lafontaine“ für alle Zeiten disqualifizierte. Hier ein Ausschnitt:

„Ich verstehe die Kritik an Chávez nicht. Er verstaatlicht Energiequellen und leitungsgebundene Wirtschaftsbereiche. Das ist eine Politik, die in der alten Bundesrepublik selbstverständlich war…“

Lafontaine vergisst, dass Chavez sich mit Diktatoren wie die Präsidenten des Irans und Weißrusslands zusammentut, um in seiner „Achse des Guten“ (nicht zu verwechseln mit dem Webblog www.achgut.com für die u.a. Benny Peiser, Hendryk Broder, Cora Stephan und Tobi Kaufmann schreiben) Er vergisst ebenso, dass Chavez im letzten Jahr den Privatsender RCTV verstaatlichen ließ, der neben seiner Telenovelas auch für die harsche Kritik an Chavez bekannt war. Chavez verhindert in seinem Land freie Gewerkschaftler und weist Human Right Watch Mitarbeiter aus dem Land, nachdem sie ein Dokument veröffentlichten, das wenige Stunden zuvor in Caracas vorgestellt wurde. In dem 230 Seiten umfassenden Dokument unter dem Titel "Ein Jahrzehnt Chávez. Politische Intoleranz und vergebene Chancen für den Fortschritt der Menschenrechte in Venezuela“.
Lafontaine ist bekannt für seine scharfe Argumentation und seinen sauber ausgeführten Zahlen. Doch wenn man sich dem Gesagten genauer widmet, was natürlich, ganz in Lafontaines Kalkül, keiner tut, so kommt man zu dem Ergebnis, dass der Saarländer schlicht die Unwahrheit sagt.
Ein Beispiel dafür: sind seine, ach so angepriesenen 50 Milliarden Euro für das Investitionsprogramm. "Die Finanzierung ist kein Problem für eine Partei, die als einzige ein seriöses Finanzierungskonzept hat", rühmt sich der Vorsitzende.
Die Rezeptur ist schlicht: "Die Steuer- und Abgabenquote muss auf das europäische Durchschnittsniveau angehoben werden.", meinte Lafontaine weiter. 120 Milliarden Euro kämen so zusammen. Mit dem Geld könnten nicht nur das Konjunkturprogramm bezahlt, sondern auch sämtliche "Sozialkürzungen" der vergangenen Jahre korrigiert werden. Doch geht das so einfach? Der Spiegel rechnete nach und kam zu dem Ergebnis, dass es eben nicht reichen würde. Allein die Rücknahme der Kürzungen bei Rente und Krankenversicherung würde rund hundert Milliarden Euro kosten. Lafontaines Zahlenbasis ist ohnehin mehr als brüchig. Er legt Werte der Industrieländerorganisation OECD zugrunde, bei denen die Abgabenbelastung Deutschlands fünf Prozentpunkte unter dem EU-Schnitt liegt. Die Kalkulationen berücksichtigen aber nur die Länder der EU vor der Osterweiterung. Durch diese kleinen aber feinen Tricks werden die „Anne Will“ und „Hart aber Fair“ Zuschauer hinters Licht geführt.
Doch Lafontaine lügt weiter. Seiner Meinung nach war er der Ressortchef, "der in den neunziger Jahren den Haushalt mit der geringsten Nettoneuverschuldung eingebracht hat", Das klingt eindrucksvoll, ist aber falsch. Vorgänger Theo Waigel lag bei vier seiner Etatentwürfe besser.
Gern wettert Lafontaine auch gegen Privatisierungen. Früher war alles besser, als Gemeinden noch eigene Stadtwerke besaßen. Strom, Wasser und Gas waren billiger. Jetzt hätten Konzerne das Sagen. "Privatisierung führt nur dazu, dass der Service schlechter wird und die Preise steigen", ruft er vom Laster. Auch das ist eine Lüge: Die steigenden Strom- und Gaskosten sind vor allem die Folge einer verfehlten Liberalisierungspolitik. . Aktuelle ist der Staat nicht in der Lage, für Wettbewerb zu sorgen. Vorbildlich gelang ihm das bei der Telekommunikation. Die Telefonkosten sanken auf einen Bruchteil, bei verbessertem Service. Doch das verschweigt Lafontaine.
Ebenso wie bei Norman Paech könnte ich hier auch beliebig weitermachen. Doch die beiden Protagonisten sind nur die Spitze des Eisberges. Mir geht es um mehr, als die Unzulänglichkeiten zweiter bedeutenden Politiker in der Partei deutlich zu machen. Mir geht es auch um die grundsätzliche Justierung der Linken, oder viel mehr, ob eine solche Einteilung in politische Richtungen überhaupt noch Sinn macht.
"Was bedeutet eigentlich "links" zu sein, wofür steht die Linke?" Frage mich vor einigen Tagen ein guter Bekannter. Ich überlegte kurz und antwortete: "Die Linke stand immer für Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität. Sie tritt für Bürger und Menschenrechte ein und macht sich für Minderheiten stark." Letzteres sogar dann, wenn sie mit aller Macht Staat und Gesellschaft bekämpfen. "Muss man dafür "links" sein, um für diese Werte einzutreten?" hörte ich im Anschluss. Wieder überlegte ich.
"Nein, ich denke nicht. Nicht mehr." Die nächste, unweigerliche Frage würde dann lauten:
"Ist der Begriff "links" nicht hinfällig?"
Ursprünglich bezog sich der Begriff der politischen „Linken“ auf die parlamentarische Sitzordnung nach der Julirevolution in Frankreich 1830. Die erste, nicht-inhaltliche Frage, die man sich zu dieser Begrifflichkeit stellen muss, ist, ob sich eine Bewegung aufgrund einer willkürlich gewählten Sitzordnung, die noch dazu mehr als 170 Jahre alt ist, entsprechen nennen muss. Ich meine nein.
Die zweite Frage ist eine unbequemliche noch dazu. Es geht um die Machbarkeit. Über die Unzulänglichkeiten des Realsozialismuses bedarf es keiner Diskussion. Dies sollte gewissermaßen als Axiom hingenommen werden und alle Stalinistischen und sonstige Nationalsozialist mit Spott und Hohn entgegengetreten werden. Dieser Diskurs ist nach fast 20 Jahre Fall der Mauer noch notwendig, wenn man einige Vertreter der politischen Linke, v.a. in Ostdeutschland, aber auch zunehmend im Westen, Die politische Linke hatte ihre Blüte in den 70ziger Jahren, aktueller denn je. Verschiedenste Bewegung, von den sozialen Bündnissen bis hin zur Schwulenbewegung regten ein Umdenken in der Gesellschaft an. Und nicht nur das. Auch Veränderungen, die sich in Gesetzten wiederfanden, konnten die 68ziger als ihren Erfolg verbuchen, wie zum Beispiel der Abtreibungsparagraph oder das (eingeschränkten) Recht, dass Homosexuellen heiraten können. Dies sind nur zwei Beispiele zahlloser großer und kleiner Errungenschaften der Linken. Doch, so hart es klingt, die Welt braucht heute keine Alice Schwarzer oder Rudi Dutschkes. ( Wobei ich mir sicher bin, dass Dutschke mit der Zeit gegangen wäre und sich, wie viele Vertreter seiner Bewegung, emanzipiert hätte). Die Linke hat so viel erreicht, dass ihre Ziele und Ideale in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind. Es gibt mittlerweile homosexuelle AGs in der CDU, Ursula von der Leyen macht (ehemals) tief sozialdemokratische Familienpolitik und Peter Gauweiler protestiert zusammen mit Heiner Geißler gegen die Globalisierung. Auch wenn letzteres nicht repräsentative Einzelfälle sind, so ist dennoch eine Wertverschiebung zu erkennen. Profan gesagt: Was früher links war, ist heute allenfalls "liberal" wenn nicht selbstverständlich, zumindest jedoch "mitte". Die Linke ist in der Mitte angekommen und das ist auch gut so.
Was bedeutet das für uns "Exlinke"?Aufbau eines Zentralrat der Exlinken? Schaffung einer Bundesbehörde und einen Bundesbeauftragten? Wohl eher nicht. Für mich bedeutet das in erster Linie aus der Partei „Die Linke“ auszutreten, eine Partei, die nichts anderes als einem vergangenen ehemals linken Konzept hinterherläuft. Sie ist nichts anderes als eine konservative Linke, die die Zeichen der Zeit nicht erkannt hat. Doch was tun wir als Exlinke?
Ichglaubem wiir ehemaligen Linken dürfen nichts von unserer kritischen Vernunft verlieren, genauso wenig wie wir unsere Progressivität und Radikalität vergessen dürfen. Wir sind nach wie vor Vordenker fortschrittlicher Politik. Doch das sind wir nur dann, wenn wir unser ideologisches Korsett ablegen. Das hindert euch daran, zu komplexen politischen Fragen, umfassende Antworten zu geben. Ihr seid in eurem Geist gefangen, ja gegeißelt. Legt dieses Korsett ab, diese falsche Rüstung und denkt pragmatisch. Nicht ideologisch bedeutet weder weniger radikal noch rückgratlos. Rückgrat hat der, der seine Werte kennt. Nicht der, der einer Ideologie, die fast immer auch eine Utopie ist, hinterherläuft. Der Pragmatismus, der progressive Pragmatismus ist die neue Heimat für die alten Linken. Was das im einzelnen bedeutet, bedarf hitziger Debatten.
Eines aber ist sicher: Der Humanismus, der evolutionäre und säkulare, bleibt für mich meine Grundphilosophie. Doch er ist nicht als Ideologie zu verstehen , da sie weder eine Staatsform noch konkreter Handlungs- und Denkvorschläge bietet, hinter der man sich verstecken kann. Man ist nun frei, unbeschwert und kann sich ganz der kritischen Vernunft widmen. Er hat nun auch keine Probleme, Israel oder die USA zu unterstützen oder Kuba zu kritisieren. Genauso wie umgedreht. Es gibt keinen ideologischen Zwang mehr.
Sich von etwas geliebten zu lösen, ist hart. Ideologie gibt Kraft und Sicherheit. Sie ist eine Ersatzreligion, die nicht auf alles, aber vieles eine Antwort hat. Sie beruhigt ungemein. Doch sie vereinfacht Komplexitäten, die nicht zu vereinfachen sind. Und deswegen ist die Linke im Unrecht und nichts anderes als obsolet. Deswegen trete ich aus ihr aus.
Als letztes möchte ich den Pazifismus der Linken ansprechen. Ich halte Pazifismus für eine falsche Einstellung, die die Geschichte uns widerlegt hat. Wenn man aus dem 2. Weltkrieg etwas lernen konnte, dann, dass man als souveräne Nation einzugreifen hat, wenn in anderen Ländern unrecht geschieht. Tief enttäuscht hat mich hierbei das fast geschlossene „Nein“ gegen eine UN Blauhelmmission im Sudan, um das Abschlachten der beiden muslimischen Völkergruppen zu verhindern. Dieses „nein“ war weder „links“, noch verständlich, sondern einfach nur menschenverachtend und bigott. Aber auch die ständige Appeasement-Haltung zum Iran zeigt, dass die Linke keine Lehren aus der Deutschen Geschichte gezogen hat. Warum auch, der Iran ist im Prinzip ein geistiger Freund; Antiimperealistisch und Antizionistisch. „Die Linke“ gibt sich einfach nur noch verlogen und heuchlerisch. Wo immer keine Juden oder Amerikaner in einem Konflikt involviert sind, verliert die Partei fast vollständig das Interesse, siehe Sudan oder Kongo. Wo beide aber beteiligt sind, so werden auch die Linken wieder aktiv, um sich auf die gegnerische Seite zu schlagen. Stupider geht’s nimmer.
All diese genannten und ausgeführten Gründe sind Anlass, aus der Partei „Die Linke“ auszutreten. Was bleibt war ein schöner Wahlkampf 2005, einige nette Abende in der Weinstube Popp, Holgers Sarkasmus und Schorsch beachtliches Engagement. Doch das alleine reicht nicht, um eine Partei und eine gesamte Bewegung zu unterstützen. Vielleicht sieht man sich einmal wieder an einem Infostand oder am CSD 2009 und vielleicht können wir unsere Standpunkte erneut austragen.

Alles in allem wünsche ich euch, dem Kreisverband Würzburg-Kitzingen-MSP, alles Gute und gutes Bestehen. Auch wenn ich die gesamte Bewegung mittlerweile für obsolet halte, so ist eine weitere demokratische Partei, die immerhin einen beachtlichen Zuspruch in der Bevölkerung erhält, nur erfrischend für die Bundesrepublik.

Womöglich bis bald!

Liebe Grüße

Julian Plutz

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