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Mittwoch, 17. September 2008

Ein fast vergessenes Buch

Manche Dinge vergisst man. Andere Dinge vergisst man, bis man daran erinnert wird. So an das Buch von Louann Brizendine: „Das weibliche Gehirn“. Warum Frauen anders sind als Männer. Ich erinner mich, es muss ein Jahr her gewesen sein, dass sich meine Mama furchtbar über dieses Buch geärgert hat. Es würde Klischees breitreten und den urkonservativen eine wissenschaftliche Basis geben. Also las ich Teile des Buches und die Zusammenfassung und wurde stutzig. Frau Brinzendine berief sich über Seiten auf Tierversuche und auch ihre Rechtfertigung, mit ihren Behandlungsstrategien (zb bei Störungen in den Wechseljahren) erinnerten mich eher an relativ geschickt plazierte Schleichwerbung für Hormonpräperate als eine wirkliche Neuheit. Da ich aber kein Neurologe bin, bin ich ins Internet und habe etwas recherchiert.
Da stieß ich als erstes auf einen FAZ Artikel. Die als konservativ geltende Frankfurter Allgemeinen Zeitung äußerte sich sehr kritisch zu diesem Buch und berief sich wiederum auf die aktuelle Neurologie, insbesondere auf den renomierten Professor Lutz Jäncke. Der Züricher W Neuropsychologe kam zu ganz anderen Ergebnissen. Jäncke suchte den kategorialen Unterschied zwischen Mann und Frau - und fand ihn nicht. „Der Mensch hat sich weitgehend von der Lenkung durch seine Hormone befreit“, resümiert Jäncke seine Forschungen. Er warnt vor Fehlschlüssen, welche allein schon durch die biologistische Fragestellung nahegelegt würden. Selbst wenn sich Unterschiede im Gehirn finden ließen, würde das nicht schon bedeuten, dass sie angeboren sind. Vielmehr forme sich unser Gehirn nicht unabhängig von dem, was wir lernen.
Auch wenn es um den klinischen Aspekt gibt, bleibt das Buch eher wackelig. Wenn gar nichts mehr bleibt, wenn die Autorin nichts mehr zu sagen hat, beruft sie sich auf die anekdotische Verdichtungen ihrer eigenen Behandlungserfolge : „Jill, eine Lehrerin von zweiundvierzig Jahren, bei der die Wechseljahre kurz bevorstanden, kam zu mir und klagte über fehlende Libido, etwas, das ihr in ihrer Ehe Probleme bereitete. Der Testosteronspiegel in ihrem Blut war sehr niedrig, also behandelte ich sie mit diesem Hormon.“ Oder: „Ich gab ihr Östrogen und ein Beruhigungsmittel. Zwei Wochen später ging es ihr zu ihrer eigenen Verblüffung viel besser. Ihr Gehirn brauchte die chemische Unterstützung.“ Oder: „Mit siebenundvierzig hatten die Wechseljahre mich voll im Griff. Ich schlief schlecht, wachte mit Hitzewallungen auf. Zwei Wochen nachdem ich angefangen hatte, Östrogen und ein Antidepressivum aus der Gruppe der selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) zu nehmen, war ich wieder ganz die Alte.“ Oder: Im Alter ist es, „als würde das Leben mit besseren Regeln noch einmal von vorn beginnen. Und wenn dieser Lebenshunger nicht vorhanden ist, kann ein Testosteronpflaster ihn unter Umständen anregen.“
Das ganze klingt nach einer sehr deutlichen Schleichwerbung für die Pharmaindustrie und für ihre Ärztebranche selbst. Das Buch soll das obsolete traditionelle Familienbild veredeln, obwohl jeer weiß, dass es weder in die Zeit noch zu den modernen Menschen passt. Ein bisschen erinnert mich das an den NPD Anwalt Horst Mahler, der relativ stupide Ansätze, Rassismus und Rechtsradikalismus, durch Triaden von Satzgefügen veredeln möchte. Am Ende ist er gescheitert : Als kaum geachteter und beachteter , geschlagener alter Mann.

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