Gerade eben las ich ein Interview mit, oh wunder, Hendryk Broder. Broder ist ein unsagbar zeitgemäßer Journalist, der es immer wieder schafft, Tatsachen messerscharf zu pointieren.
Die letzte Frage Broders war gleichzeitig die vielleicht persönlichste Stellungnahme, die ich von Broder je gelesen habe. Der Interviewer fragt Broder, was ihn denn zum schweigen bringen würde. Ich möchte diesen Abschnitt gerne zitieren:
Sprachlos bin ich fast nie. Nur einmal: Die Tierschutzorganisation PETA hatte in einer ihrer Anzeigenkampagnen Hühner in Käfigen neben Menschen im KZ abgebildet. Ich habe damals den Auftrag bekommen, einen Essay über die Kampagne zu schreiben, doch ich konnte einfach nicht. Ich war noch nicht einmal in der Lage, etwas dazu sagen. Das Bild hat mich stumm gemacht. Viele haben "Antisemitismus" gerufen, nachdem sie das Foto gesehen hatten – ich nicht. Ich dachte nur: Man kann doch nicht um jeden Preis die größte zur Verfügung stehende Keule herausholen. Auschwitz darf kein Maßstab sein. Die Kampagne war so schrecklich, dass ich gar nichts damit zu tun haben wollte, ich wollte noch nicht einmal dagegen sein – und ich wollte es auch nicht begründen müssen. Denn eine fortschrittliche Gesellschaft zeichnet sich nicht dadurch aus, dass man über alles reden kann, sondern dass es Grundsätze gibt, die außerhalb jeglicher Diskussion stehen. Man darf Frauen nicht vergewaltigen, Kinder nicht schlagen, Homosexuelle nicht verfolgen und Menschen nicht mit Tieren gleichsetzen. Sobald ich anfange, solche Selbstverständlichkeiten argumentativ zu begründen, legitimiere ich inhumane Positionen."
Diee Antwort hat mich sehr bewegt. Nicht, weil sie mir per se nahe geht. Vielmehr berührte sie mich, da ich ja selbst weder Fleisch noch Fisch esse. Und ich begann darüber nachzudenken, warum ich das eigentlich tu, bzw. warum nicht.
Als ich Vegetarier wurde, war ich der Meinung, der Mensch sei den Tieren gleich. Der Mensch selbst sei ein Tier, dass sich nur durch Aussehen und Fähigkeiten unterscheide. Von der Wertigkeit an sich, sind "beide" gleichzubehandeln. Mit der Frage, warum ich kein Fleisch esse, erwiderte ich die Frage: "Und warum isst du keine behinderten Menschen?" - Gespräch beendet.
Heute bin ich etwas weiter. Ich weiß sehr wohl, dass der Mensch den übrigen Tieren bei weitem überlegen ist. Jeder Evolutionsiwssenschaftler würde das bestätigen, genauso wie jedes 3 Jährige Kind. Der Homo Sapiens Sapiens war und ist das anpassungsfähigste Lebewesen und hat sich völlig zu Recht seine Vormachtstellung auf diesem Planeten gesichert. Wie er mit anderen Lebewesen umgeht, ist eine andere, sicherlich zu kritiserende Sache. Dennoch wäre es fatal, Mensch und Tier gleichzusetzen. Eben das haben die Nazis getan und eben das war so verheerend und grausam.
Wie schon gesagt, Ausschwitz darf kein Maßstab sein. Nicht heute und nicht morgen. Nicht bei meinem wichtigsten Werten, wie dem Vegetarismus.
Ich esse kein Fleisch (sowie kein Fisch), weil ich es als unnötig erachte. Ich finde nicht, dass Tiere sterben müssen, weil ich hunger habe, obwohl es kein Problem ist , mich fleischlos zu ernähren. Wozu also Tiere töten?
Ich brauchce es nicht, nicht für mich. Es ist meine Privatsache, aber nicht mein Missionierungsauftrag. Vegetarismus ist kein Politikum. Es ist eine Frage von Geschmack und Wertigkeit.
Sonntag, 15. Februar 2009
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